Gesundheit beginnt im Boden – Ein Gespräch mit Stefan Schwarzer über Böden, Mikroben und unsere Zukunft
„Alles ist miteinander verbunden.“ Für Stefan Schwarzer ist das keine Floskel, sondern eine wissenschaftlich fundierte Erkenntnis und der rote Faden in seinem neuen Buch Gesundheit beginnt im Boden. Der Geograf, Autor und Leiter der Zertifizierung beim Regenerate Forum zeigt darin auf, wie eng unser Wohlbefinden mit der Fruchtbarkeit der Böden, der Vielfalt der Mikroben und Gesundheit der Ökosysteme von Ökosystemen verwoben ist.Geograf
Mikroben – die unsichtbaren Dirigenten des Lebens
„Der menschliche Körper besteht nur zu knapp der Hälfte aus menschlichen Zellen – etwas mehr sind tatsächlich Bakterien“, erklärt Schwarzer. Sie beeinflussen wesentlich die Verdauung, das Herz Kreislauf-System, die Atmung und sogar unsere Psyche. Doch diese Mikroben leben und wirken nicht in Isolation: Ihre Vielfalt und Vitalität hängt direkt mit dem Mikrobiom von Böden, Pflanzen und Tieren ab. „Wir müssen unseren inneren Acker genauso pflegen wie den äußeren: den Boden, von dem wir uns ernähren.
Waldgärten und Wurzelausscheidungen
Sein Verständnis von Bodengesundheit speist sich nicht nur aus wissenschaftlichen Studien, sondern auch aus praktischen Erfahrungen. In seinem eigenen Waldgarten kultiviert er seit Jahren mehrjährige essbare Wildpflanzen ohne Bodenbearbeitung, ohne Dünger, mit
ständiger Begrünung. Das Ergebnis: ein aufblühendes Bodenleben, humusreiche Böden und Pflanzen voller Energie. „Das ist beim Verzehr in einem Wildkräutersalat direkt spürbar“, sagt er.
Auf analytischer Ebene fasziniert ihn besonders das Zusammenspiel von Pflanzen und Mikroorganismen: Pflanzen stoßen über ihre Wurzeln Zuckerlösungen aus, um Bakterien und Pilze anzulocken, die im Gegenzug Nährstoffe bereitstellen. Wurzeln nehmen sogar Bakterien auf, nutzen ihre Mineralien, ermöglichen aber gleichzeitig deren Vermehrung. „Es ist unglaublich, was sich die Natur da ‘ausgedacht’ hat“, so Schwarzer.
Bodengesundheit als Schutzschild
Für Schwarzer ist Bodengesundheit nicht nur ein landwirtschaftliches, sondern auch ein gesellschaftliches Thema. Gesunde Böden mit reichhaltigem Humus speichern Wasser, puffern Hochwasser ab und überstehen Dürreperioden besser. „Mehr Wasser im Boden heißt weniger Trockenstress, gesünderes Wachstum und eine bessere Nährstoffversorgung. Nicht nur für Pflanzen, sondern am Ende auch für uns Menschen.

"Es ist faszinierend, wie schnell sich Natur erholen kann – selbst auffast toten Flächen kehrt das Leben - Mikroben, Pflanzen und Tiere -
überraschend schnell wieder zurück.”

Ein weiteres Argument liefert der Blick aufs Klima: Begrünte Flächen wirken wie natürlicheKlimaanlagen. „Ein Baum kühlt an einem heißen Sommertag seine Umgebung so stark wie fünf Klimaanlagen, die den ganzen Tag laufen“, erklärt er. „Offene Böden dagegen heizen sich auf und verstärken Hitze“
Drei Bücher – ein roter Faden
Gesundheit beginnt im Boden ist bereits Schwarzers drittes Werk. In Die Humusrevolution zeigte er die Bedeutung von Böden für die Landwirtschaft. Aufbäumen gegen die Dürre widmete sich dem Zusammenhang von Landnutzung, Klima-, Energie- und Wasserkreisläufen. Das neue Buch wiederum rückt die Gesundheit in den Mittelpunkt: die des Bodens, der Pflanzen, Tiere und Menschen.
Im Herzen aller drei Bücher steht die Gestaltung unserer Lebensgrundlagen – das Arbeiten mit der Natur, nicht gegen sie. Es geht um Win-Win-Win-Situationen für Landwirtschaft, Natur und Gesellschaft.
Dringender Handlungsbedarf
Die Landwirtschaft, so Schwarzer, steht heute vor enormen Handlungsdruck: „Boden ist für uns Menschen eine quasi nicht erneuerbare Ressource und doch behandeln wir ihn, als stünde er unbegrenzt zur Verfügung.“ Seine Forderungen sind klar: leichtere Maschinen,
vielfältige Begrünung, Mischkulturen, Zwischenfrüchte, Untersaaten, breitere Fruchtfolgen, Kompost, Integration von Tieren und Bäumen, und dabei weitgehender Verzicht auf chemisch-synthetische Stoffe. Nur so lasse sich das Bodenleben aufbauen, Fruchtbarkeit sichern und Resilienz schaffen.

“Unsere Gesundheit hängt direkt vom Boden ab – vom Mikrobiom im Acker genauso wie von dem in uns selbst.”

Hoffnung aus der Natur
Trotz aller Probleme sieht Schwarzer Grund zur Hoffnung. „Es ist faszinierend, wie schnell sich Natur erholen kann. Selbst auf fast toten Flächen kehren Mikroben, Pflanzen und Tiere in erstaunlicher Geschwindigkeit zurück.“ Entscheidend sei, diesen Prozess zuzulassen und aktiv zu unterstützen. „Die kleinsten Lebensformen, die Mikroben, bereiten den Boden für alles, was wir mit Lebendigkeit, Schönheit und Lebensfreude verbinden.
Vom Buch zur Praxis
Als Leiter der Zertifizierung beim Regenerate Forum setzt Schwarzer seine Vision unmittelbar um. Das Ziel: landwirtschaftliche Betriebe bei der Umstellung auf regenerative Methoden zu begleiten. Weg von ausbeutender Praxis, hin zu einer Landwirtschaft, die Ressourcen aufbaut. „Wir können mit relativ wenig Aufwand und in kurzer Zeit mehr Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität, höhere Erträg und besseren Nährwert erreichen. Viele Bäuerinnen und Bauern zeigen das bereits eindrucksvoll.